Cantre’r Gwaelod
Das versunkene Königreich Cantre’r Gwaelod
Cantre’r Gwaelod war einst ein mächtiges Königreich. In der Bucht von Cardigan hatten die Menschen dem Meer in mühevoller Arbeit fruchtbares Land abgerungen. Dieses Land wurde von einem starken Deich beschützt. Ein Hektar dieses Landes war so viel wert wie vier Hektar anderswo. In dem Deich befand sich ein Schleusentor, das bei Ebbe geöffnet wurde, um das Wasser abfließen zu lassen. Bei Flut musste das Tor geschlossen werden, um das Land und die Menschen vor dem Meer zu schützen. Jede Nacht wurde eigens ein Wächter zur Sicherung der Schleuse bestimmt.
Anno Domini 600 wehte ein Sturm von Südwest herauf und trieb eine Springflut gegen die Deiche. In dieser Nacht fiel Seithennin, einem Freund von König Gwyddno Garanhir, Longshanks genannt, die ehrenvolle Aufgabe der Schleusenwache zu. Aber Seithennin war ein verworfener Geselle, der gern trank und mit den Weibern tändelte. Es trug sich zu, dass Seithennin auf einer Feier in Aberystwyth war und seine Pflicht vergaß.
Das Meer stieg weiter und weiter, und der Sturm drückte die aufgewühlten Fluten gegen den Deich von Cantre’r Gwaelod. Seithennin aber lag in den Armen der schönen Meredid und dachte nicht an seine Leute, die in den Dörfern arglos hinter dem Deich schliefen. Und so kam es, dass das wütende Meer sich Bahn brechen konnte durch die offenen Tore. Das fruchtbare Land mit sechzehn Dörfern wurde überschwemmt. Die meisten Bewohner wurden im Schlaf vom Wasser überrascht und ertranken elendiglich, genau wie das Vieh. Nur König Longshanks und einigen Mitgliedern seines Hofstaats gelang die Flucht nach Sarn Cynfelin.
Nach diesem schrecklichen Unglück war der Deich zerstört, das fruchtbare Land verloren, und der König und seine Leute mussten ein ärmliches Dasein in den nahen Hügeln von Wales fristen.
Seitdem, so geht die Legende, läuten die Glocken von Cantre’r Gwaelod, wenn Gefahr droht.
(Zitat aus: Constanze Wilken „Sturm über dem Meer“, Goldmann Verlag 2016)
Wie kam es zur Zusammenarbeit von Autorin und Künstler?
Das Studium der Kunstgeschichte brachte uns schon vor Jahren zusammen, denn die Arbeiten von Erhard Schiel fand ich so faszinierend, dass sie Eingang in meine Magisterarbeit fanden. Da wir zudem beide an der Westküste in St. Peter-Ording unsere Zelte aufgeschlagen haben, ergaben sich immer wieder künstlerische Schnittpunkte. Für die Ausstellung „Künstler gegen Fracking“ im Kieler Landeshaus konnte ich Erhard Schiel sofort begeistern. Seine surrealen, eindrucksvollen Werke verleihen der Bedrohung für unsere Umwelt ein beängstigend erschütterndes Gesicht.
Irgendwann sagte Erhard, warum nicht Romanszenen illustrieren? Wir sprachen über Wales und meine neue Romanreihe und die Thematik entzündete beim Künstler sofort ein Feuerwerk an Motiven. Die wundervollen Gemälde zu „Der Duft der Wildrose“ entstanden. Siehe LINK
Und die Legende um das versunkene Königreich in Wales, die viele Parallelen zum Untergang von Rungholt an der Westküste aufweist, inspirierte Erhard Schiel zu diesem großformatigen Werk, in dem die sintflutartige Überschwemmung der Bucht von Cardigan mit der Flucht von König Longshanks und seinen Gefolgsleuten farbenprächtig und dramatisch dargestellt wird. Die Urgewalt des Meeres, die Machtlosigkeit des Menschen den Elementen gegenüber, der Überlebenskampf und die Trauer um den Verlust eines blühenden Landes und seiner Bewohner werden hier in realistischer Manier, märchenhaft und emotional gezeigt.
Premiere hatte das Werk in der Veranstaltung Lyrics & Jazz & Art und wurde mit der düster, stimmungsvollen Musik, die Alexander Wilken komponierte, präsentiert. VIDEO
Der Künstler Erhard Schiel (geb 1943)
Nach dem Erhalt eines staatl. Kunststipendiums und einer Ausbildung in den NEMO-Pressen in Eckernförde stellte Schiel bereits weltweit aus. Er wurde Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler Schleswig-Holstein, pflegte eine inspirierende Freundschaft mit Gert Fröbe, schuf zahlreiche Radierungen, mit denen er sich den Ruf eines Meisters des Kupferstichs erwarb und malte Bilder zu Veranstaltungen mit Gottfried Böttger, Audrey Motaung und Jimmy Henderson, um nur einige zu nennen. Es folgten mehrere Ausstellungen auf der Insel Mainau/Bodensee unter der Schirmherrschaft von Graf Lennart Bernadotte. Die letzte große Ausstellung auf der Mainau „Verborgene Schätze – Blühende Welten“ fand 2012 statt. Neben der Radierkunst widmet sich der Künstler seit einigen Jahren vermehrt der Ölmalerei und bringt seine Ideen in realistischer, teils surrealer Manier, immer jedoch in seinem ganz eigenen Stil und mit seiner prägnanten Farbpalette auf die Leinwand. Seit der Eröffnung der Galerie Ingrid Schiel 1988 in St. Peter-Ording arbeitet der Künstler vor allem in seinem Atelier am Ende der Halbinsel und in unmittelbarer Nähe zum Meer.
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